Musik für Flöte und Harfe. Zwei Instrumente, die durch ganz unterschiedliche Technik Klänge hervorbringen, die von Alters her als ätherisch oder mit übersinnlichen Kräften behaftet empfunden wurden und die einander besonders gut kontrastieren und ergänzen. Als eine der frühesten abendländischen Abbildungen zeigt eine Handschrift des 12. Jahrhunderts beide Instrumente miteinander, und zwar als Attribute der Sirenen, die einer Homerschen Sage zufolge mit ihrem "hellen Gesang" Seefahrer so stark in ihren Bann zogen, dass sie ihre Insel ansteuerten, wo sie zu Tode kamen. Andernorts sind sie, mit Instrumenten bestückt, Geleiterinnen der Seelen in die Unterwelt oder in den Himmel. Neben zahlreichen anderen Interpretationen sind sie in der christlichen Deutung auch diejenigen, die die Sehnsucht nach himmlischer Glückseligkeit wecken.
Die vorliegende Aufnahme interpretiert Musik des 18. bis 20. Jahrhunderts und spannt damit einen Bogen von der sogenannten "Barockmusik" über die "Klassik" zum "Impressionismus". Abgesehen von den Soloeinspielungen sind nur wenige Werke von ihren Komponisten ausdrücklich für die Besetzung Flöte und Harfe bestimmt. Es ist jedoch schon immer Brauch, sich zu gemeinsamem Musizieren nach Möglichkeiten der Instrumente zusammenzufinden. Klangfarbe und instrumentenspezifische Eigenarten geben jedem Musizieren ein eigenes Profil. Interpreten sind auch neuschaffende Künstler - das wird bei nicht alltäglichen Besetzungen wie der vorliegenden besonders deutlich. Was Kammermusik ausmacht, mag mit einem Zitat von Michael Praetorius anschaulich werden. Im dritten Teil seines 1619 erschienen umfassenden Musikwerkes Syntagma Musicum schrieb er über Lautenisten und Harfenisten und unterschied Musik, bei der diese als Fundament- und solche, bei der sie als Ornament-Instrumente eingesetzt werden. Im ersten Fall sollen sie allzeit eine fest beständige, voll-lautende und kontinuierte harmoniam führen, so die voces humanas gleichsam also tragen, und bald heimlich und still, bald wiederum stark und frisch schlagen ... Doch muß man in dem, das die Stimme ihre schönen Läufflein und Coloraturen macht oder sonst einen andern affectum repraesentiret, nicht so gar überstark in die Saiten greifen, damit die Stimme dadurch nicht interrumpiret werde.
Im zweiten Fall müssen sie so wie die anderen Ornament-Instrumente mit den Stimmen variieret und vermischet werden, zu keinem andern Ende, als das sie dieselben zieren/ schmücken und gleichsam also condiren und würzen. Sie müssen die melodiam zieren und ausputzen. (Orthographisch leicht modernisierte Textfassung.)
- Leonardo Vinci (c. 1690-1730)
- Um 1690 in Strongoli (Kalabrien) geboren, brachte Leonardo Vinci den größten Teil seines Lebens in Neapel zu, wo er als Hofkapellmeister vor allem erfolgreiche Theatermusik schrieb. Kurz vor seinem Tod 1730 trat er in eine Laienbruderschaft, das Kloster S Caterina a Formiello, ein und unterrichtete an dem Konservatorium, an dem er selbst ausgebildet worden war. Die D-Dur Sonate entstammt einer Sammlung von 12 Sonaten für Flöte oder Geige und Generalbass, die posthum 1746 in London erschienen ist.
- Georg Philipp Telemann (1681-1767)
- Georg Philipp Telemann war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als der führende deutsche Komponist angesehen. 1681 in Magdeburg geboren, führte ihn sein Weg über Halle/Saale, wo er Georg Friedrich Händel kennenlernte, Leipzig, Sorau, Eisenach, hier befreundete er sich mit dem in Weimar wirkenden Johann Sebastian Bach, und Frankfurt/Main nach Hamburg. In der Elbmetropole fand er 1721 als Kantor am Johanneum und Direktor der Kirchenmusik an den fünf Hauptkirchen seine Lebensstellung. 1767 ist er dort gestorben und hinterließ ein vielseitiges, alle Gattungen und Stile der Zeit umfassendes Werk. Die Fantasien für Flöte ohne Bass sind 1732/33 in Hamburg gedruckt und für die private Kammermusik, vielleicht auch für den Unterricht, bestimmt. Durch die Stimmführung, wechselnde Lagen, die unterschiedliche Klangfarben erzeugen, gelingt es häufig, den Anschein von Mehrstimmigkeit zu erwecken.
- Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788)
- Telemanns Hamburger Nachfolger war Carl Philipp Emanuel Bach, der 1714 in Weimar geborene zweite Sohn Johann Sebastian Bachs. Er war seinem Vorgänger nicht nur als Freund, sondern auch durch Taufpatenschaft verbunden. Er, und nicht etwa sein Vater, galt zu seiner Zeit als der "große Bach". Nach seiner musikalischen Ausbildung in Köthen und Leipzig sowie Jurastudium in Leipzig und Frankfurt/Oder wurde er Mitglied der kronprinzlichen Kapelle in Rheinsberg und später Kammercembalist des preußischen Königs Friedrich II. in Berlin, wo er in den maßgeblichen musikalischen und gesellschaftlichen Zirkeln verkehrte. Diesen Lebensstil behielt er auch in Hamburg bei; bis 1788 lebte und arbeitete er hier. Die Aufgaben waren vielfältig, sein Gesamtwerk ist daher umfassend. Da der König Flöte spielte, ist die große Anzahl von in Berlin entstandenen Kompositionen für dieses Instrument nicht verwunderlich. Die hier eingespielte und ungewöhnlicherweise nur zwei Sätze enthaltende Sonate in G-Dur ist allerdings erst 1786 in Hamburg komponiert.
- Franz Anton Rösler (c. 1750-1792)
- Nochmals eine Generation jünger ist der Böhme Franz Anton Rösler, der seinen Namen später italianisierte und sich dann Antonio Rosetti nannte. Er wurde um 1750 in Leitmeritz geboren, erhielt ersten Unterricht in Prag und war 1763 bis 1769 Novize im Jesuitenkolleg Kuttenberg. Seine Ausbildung zum Geistlichen brach er ab und trat 1773 in die musikalischen Dienste des Kraft Ernst, Prinz von Oettingen-Wallerstein. Dieser unterhielt eine in ganz Europa berühmte Kapelle. Zahlreiche Reisen stärkten Rosettis Erfahrung und sein Ansehen als Komponist. 1789 wechselte er als Kapellmeister an den Hof von Herzog Friedrich Franz I von Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust, wo er 1792 starb. Seine Zeitgenossen nannten seinen Namen im selben Atemzug mit Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn. In dieser Zeit war es durchaus gängig, Ausgaben alternativ für Harfe oder Tasteninstrumente anzubieten, und so stammt auch die hier vorgelegte Sonate aus den "Sechs Sonaten op. 2 für Harfe oder Pianoforte" aus dem 1783.
- Gaetano Donizetti (1797-1848)
- Im italienischen Bergamo wurde 1797 Gaetano Donizetti geboren und starb 1848 ebenda. Sein Ruhm gründet sich auf zahllose Opern, die in Mailand, Paris, Neapel, Wien uraufgeführt wurden. Bis zu fünf Werke hat er pro Jahr komponiert. Die beiden für Violine und Harfe komponierten Sätze hat der Flötist und Musikologe Raymond Meylan 1970 als Flöten-Sonate publiziert.
- Gioachino Rossini (1792-1868)
- Fast gleichaltrig, war der 1792 geborene Gioachino Rossini ebenfalls als Opernkomponist berühmt. Und auch er war an den verschiedenen Opernbühnen Europas zu Hause. Nach seinem Geburtsort wurde er gelegentlich der "Schwan von Pesaro" genannt. Er starb 1868 in Passy bei Paris. Die in G-Dur gespielten Variationen gehören zu seinem Frühwerk, sind um 1820 in Neapel entstanden und ursprünglich in F-Dur für Bratsche und Harfe komponiert.
- Nicholas Charles Bochsa (1789-1856)
- Nicholas Charles Bochsa wurde 1789 im französischen Montmédi geboren, musikalisch von seinem Vater erzogen, erlernte zahlreiche Instrumente und studierte Komposition am Pariser Konservatorium. Schließlich machte er die Harfe zu seinem Hauptinstrument und schloss ein Studium bei François-Joseph Nadermann und Marie-Martin Marcel de Marin an. 1813 wurde er Harfenist bei Napoleon, 1816 bei Ludwig XVIII. Bereits 1817 kam er mit dem Gesetz in Konflikt, musste das Land verlassen und ließ sich in London nieder, von wo er 1839 wiederum floh. In Europa, Amerika und Australien feierte er rauschende Erfolge als Solist. 1856 starb er auf einer Konzertreise in Sydney. Neben zahlreichen Opern gehören vor allem Harfenkompositionen zu seinem Oeuvre. Auch eine Schule sowie Instrumentalübungen hat er veröffentlicht; gerade war die moderne Doppelpedalharfe in Paris von Sébastien Érard entwickelt worden. Mit der Fantasie für Harfe steht hier ein Werk auf dem Programm, das von einem Virtuosen für sein eigenes Instrument geschrieben ist. Dabei hat er Melodien aus der Oper Beatrice di Tenda von Vincenzo Bellini aufgegriffen.
- Claude Debussy (1862-1918)
- Der Franzose Claude Debussy wurde 1862 in St-Germain-en-Laye geboren und lebte, abgesehen von einem dreijährigen Studienaufenthalt in Rom, Zeit seines Lebens in Paris, von wo aus er zahlreiche Reisen unternahm. Neben seiner kompositorischen Tätigkeit trat Debussy auch als Pianist, Dirigent und Theoretiker hervor. Die beiden hier vorgelegten Werke wurden 1910 und 1891 als Klavierkompositionen gedruckt und sind für Flöte und Harfe arrangiert.